Wangh, Dr. Martin

Wangh, Dr. Martin

Born in Leipzig 1911
Died 2009

Lived and worked in Israel 1981-2000

Was the initiator and leading force behind the exteblishment of the Sigmund Freud Chair and the Sigmund Freud Center at the Hebrew University in Jerusalem

WANGH–Martin, M.D., October 4, 2009, age 97. Martin was past secretary of the New York Psychoanalytic Society and chairman of the Program Committee of the American Psychoanalytic Association. He was founder of the Freud Chair of the Hebrew University Jerusalem. Father of Stephen, Lawrence and Mitchell. Grandfather of Rebecca, Jacob, Noah, Marina, Megan and Hannah; Great-grandfather of Alea.

WANGH–Martin, M.D. We mourn the loss of our esteemed colleague, Dr. Martin Wangh, a Training and Supervising Analyst and valued faculty member. In the 1950s and 60s, he worked closely with Charles Brenner, Jacob Arlow and David Beres in leading the Kris Study Group. We offer our condolences to his family and friends. Dr. Roger Rahtz, President Dr. Philip Herschenfeld, Dean New York Psychoanalytic Society and Institute

In memoriam Martin Wangh 
(1911-2009) Gedenkrede von Carl Nedelmann in der Mitgliederversammlung der DPV am 19. Nov. 2009 Martin Wangh, geboren am 30. Dezember 1911 in Leipzig, ist am 04. Oktober 2009 kurz vor der Vollendung des 98. Lebensjahres in New York gestorben. Er hat sich über die Katastrophen des 20. Jahrhunderts hinweg für die Psychoanalyse eingesetzt und nie aufgehört, auch mit deutschen Kollegen in Verbindung zu kommen und zu bleiben. Die DPV hat ihn im Frühjahr 1996 zum Ehrenmitglied gewählt. Seine Eltern stammten aus Brody. Seine Mutter war 1894, sein Vater 1900 nach Leipzig gekommen. Sie sprachen deutsch mit jiddischem Akzent. Er war der jüngste von vier Brüdern. Als er zwei Jahre alt war, begann der Erste Weltkrieg. Als er fünf Jahre alt war, begann die schlimme Hungerzeit. Auch wußte er bald, was es bedeutet, ein Jude in Deutschland zu sein. Auf der Straße durfte er mit Kindern christlicher Familien spielen, aber niemals wurde er nach Hause eingeladen. Er spürte eine tiefe Sehnsucht, einfach dazu zu gehören. Statt dessen trat er mit acht Jahren in einen zionistischen Jugendverband ein. Auf dem Gymnasium war er in seiner Klasse der einzige Jude. Im letzten Schuljahr gewann er den „Bismarck-Preis“ für den Aufsatz „Bismarck und der Liberalismus“. Der Deutschlehrer sagte: „Da keiner unserer deutschen Schüler einen Aufsatz geschrieben hat, der gut genug ist, muß ich Wang den Preis geben“ (1995, 343). 1931 begann er in Hamburg mit dem Studium der Medizin. Am Anfang des Sommersemesters 1933 erlebte er die Trennung der jüdischen von den christlichen Studenten im Präparierkurs und verließ Hamburg sofort. Er flüchtete nach Leipzig ins Elternhaus, blieb dort Monate unschlüssig, ob er eine Gruppe jüdischer Kinder im Rahmen der Jugend-Alija nach Palästina begleiten und dort bleiben oder in einem westlichen Ausland sein Studium fortsetzen sollte. Er entschied sich für die Fortsetzung des Studiums, ging nach Bologna, schloß dort das Studium ab und promovierte. Ein entfernter Onkel sorgte für die Einreise in die USA. Am 04. August 1938 landete er in New York. Unbändiger Wille und glückliche Umstände brachten ihm in New York Erfolg. Er fand eine Assistentenstelle und er heiratete Anne, eine amerikanische Jüdin, gefeierte Tänzerin am Ballet Theatre, dem „besten amerikanischen Tanzensemble“, wie er vermerkte (1995, 355). Sie bekamen drei Söhne. Die Assistentenstelle ermöglichte es ihm außerdem, mit der psychoanalytischen Ausbildung zu beginnen. 1946 schloß er sie ab und bald gehörte er in den Kreis der tonangebenden Kollegen im New Yorker Psychoanalytischen Institut. Anfang der 60er Jahre begann eine intensive theoretische Auseinandersetzung mit Deutschland. Zum einen trat Wangh als Gegengutachter gegen ablehnende Bescheide deutscher Wiedergutmachungs-Kammern auf. Zum andern sagte er Mitscherlich zu, in Heidelberg 1962 auf einem Symposion über „Vorurteil und Antisemitismus“ einen Vortrag zu halten (1962a). Ursprünglich eingeladen war Loewenstein. Aber Lo- 6 In memoriam Martin Wangh (1911-2009) ewenstein bat Wangh, ihn zu „vertreten“ (1995, 378). Wangh sagte zu. Ohne diesen Sachverhalt zu erwähnen, schrieb er, als er an dem Vortrag für Heidelberg arbeitete, außerdem den Aufsatz „Die Mobilisierung eines Stellvertreters“ (1962b), eine Arbeit, die Wolfgang Loch besonders schätzte. Klinische Arbeit und Erforschung historischer und gesellschaftlicher Ereignisse bildeten eine Einheit in Leben und Werk von Martin Wangh. Angeregt von den revoltierenden Studenten in den 60er Jahren und ihrem Motto „make love not war“ wurde die nukleare Drohung zu einem weitereren seiner zentralen Themen (1972). Darin trafen wir uns. Als ich 1984 eine Tagung der DGPT nach Lindau holte und dem Thema „Zur Psychoanalyse der nuklearen Drohung“ widmete, war er Hauptredner und Ehrengast (1985). 1977 schenkte die IPV anläßlich ihres Kongresses in Jerusalem der Hebräischen Universität Jerusalem einen Sigmund-Freud-Lehrstuhl. Wangh hatte das Geld dafür gesammelt. Die Universität ehrte ihn mit der Einladung zu einem Forschungsjahr und als er 70 Jahre alt war, zogen Anne und Martin Wangh nach Jerusalem. Am 06. Juni 1982 fand die House Warming Party statt. Ich war unter den Gästen. Ich vergesse nie, wie herzlich und lebhaft es zuging. Es war ja nicht nur die neue Wohnung, die gefeiert wurde, sondern der Neuanfang. In der Israelischen Psychoanalytischen Gesellschaft war Wangh angesehen. Manche nannten ihn den „old lion“. Einer seiner Kontrollanalysanden erzählte mir, wie sehr er Wanghs Sinn für Menschlichkeit bewundert habe. In der Vorbereitung des Internationalen Psychoanalytischen Kongresses 1985 in Hamburg, dem ersten in Deutschland nach 1932 in Wiesbaden, stiftete Wangh Verwirrung und Ablehnung, als er vorschlug, den Begriff der „Versöhnung“ in das Kongreßthema zu nehmen. Ein Wunsch hatte sich über die Möglichkeiten der Realität hinweggesetzt. Aber ein anderer Wunsch ging in Erfüllung. Der Fall der Berliner Mauer ermöglichte den Weg zurück nach Leipzig. Hatte er mir Türen in Israel geöffnet, so konnte ich ihm nun eine Tür in seiner alten Heimatstadt öffnen. Es entstanden neue Freundschaften und er wurde Ehrenmitglied des Leipziger Instituts. In den letzten elf Jahren lebte er wieder in New York. Dort trennten sich Anne und Martin Wangh. So lange beide tätig waren, konnten sie ihre Verschiedenheiten überdecken. Nun aber, da sie sich zur Ruhe setzten, ging das nicht mehr. Wanghs letzte Publikation trägt den Titel „Die Opferung Isaaks“ (2001). Noch einmal berührte er darin seine zentralen Themen: den Antisemitismus, den Holocaust, die nukleare Drohung und die Gefahr, die darin steckt, wenn Thanatos überwiegt. Allmählich aber wurde der unermüdlich fleißige väterliche Freund müde. Zuletzt besuchte ich ihn im April dieses Jahres. Eine Woche lang sahen wir uns täglich. Seine stundenweise 7 In memoriam Martin Wangh (1911-2009) lebendige Gegenwart hat mich tief erfüllt. Sein Humor hatte ihn nicht verlassen, aber Zukunft lag nur noch in der Sehnsucht nach dem Ende. Am Vorabend seines Todes war einer seiner Söhne bei ihm. Ich bat ihn um eine Schilderung des letzten Tages seines Vaters. Aus dem, was er mir schrieb, ging hervor, daß Martin Wangh in Ruhe loslassen konnte. Ich trauere um den Freund. Im Namen der DPV darf ich sagen: Wir gedenken seiner in Dankbarkeit. Literatur Wangh, M. (1962a): Psychoanalytische Betrachtungen zur Dynamik und Genese des Vorurteils, des Antisemitismus und des Nazismus. 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 (Sächsisches Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie)

 
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